Der muss doch mal rennen können – Was dein Hund alles im Freilauf lernt
Neulich war ich bei uns oben am Berg mit Strubbel auf Futterbeuteljagd, als plötzlich ein ziemlich großer Dobermann in einem Affenzahn, bellend auf uns zu rannte. Gott sei Dank konnte ich das Hündchen ohne große Probleme in die Richtung zurück schicken aus der es kam. Dennoch rutschte mir kurz das Herz in die Hose und meinem Strubbelchen auch. Ca. 15 Minuten später traf dann besagter Dobermann zeitgleich mit mir, ziemlich außer Atem, am Auto seiner Besitzerin ein. Sie hatte augenscheinlich dort auf ihn gewartet und fing ihn etwas ungelenk am Halsband wieder ein. „Ach, das ist ihrer.“ sagte ich. „Der ist eben hinten in der Wiese auf mich und meinen Hund mit einer ziemlich beängstigenden Geschwindigkeit zu gelaufen. Gut, dass er sich hat wegschicken lassen. Ist der ihnen ausgebüxt?“ fragte ich sie. „Nein, ich lass den immer so laufen. Der braucht das. Der tut ja keinem was. Er ist ein ganz lieber und der muss ja auch mal rennen können. Er ist dabei sooo glücklich. Das möchte ich ihm nicht nehmen.“ Entgegnete sie, stieg mit ihm ins Auto und fuhr davon. Stirnrunzelnd blieb ich zurück und schaute ihr lange nach …
Du wirst wahrscheinlich ahnen, dass Beschäftigung auch anders geht.
Denn die oben beschriebene Form der Beschäftigung bedeutet nicht viel Gutes für deinen Hund und dich. Was lernt nämlich dein Hund, wenn er einfach so freiläuft. Dabei muss es noch nicht Mals so eine extreme Form sein, wie in meiner Geschichte aus dem Alltag beschrieben, sondern es genügt, wenn du deinen Hund einfach regelmäßig seiner Wege gehen lässt auch wenn er in Sichtweite ist. Dein Hund ist im Alleingang unterwegs. Alle Erfahrungen, die er dann macht, macht er ohne dich. Ob für ihn nun positiv, wie z.B. Aas fressen, Rehe jagen, Hühner fressen, läufige Hündinnen decken. Aber auch negativ, wie Rüden verscheuchen und dann vom bösen Hofhund gebissen werden, einer Hundetrainerin begegnen, die sich einfach so mit ihrem Hund auf seiner Wiese bewegt, dem Jäger vor die Flinte laufen, oder vors Auto. Alles ohne dich.
Keiner mit dem er schöne Erlebnisse teilen kann, oder der ihm zeigt, wie er sich in unangenehmen und gefährlichen Situationen verhalten soll.
Keiner der ihn erzieht, führt, lenkt und leitet und ihm damit hilft und Halt gibt. Dabei muss der Hund noch nicht Mals weit weg oder außer Sicht sein. Es genügt, wenn er allein im Gras stöbert. Oder zu allen Hunden hinrennt „um zu spielen“. Alles ohne dich. Du bist unwichtig und vielleicht auch nur unnötiger Ballast, wenn du ihn versuchst zurückzurufen und er nicht kommt. In den wenigsten Fällen wollen Hunde übrigens spielen wenn sie auf Hunde treffen, und die anderen Hunde auch nicht. Wie das mit dem Spielen bei Hunden ist, erkläre ich an anderer Stelle in meinem Vortrag „Hündisch für Hundehalter“ oder in meinem E-Book „Böser Hund“. Aber zurück zum Freilauf. Freilauf wie gerade beschrieben heißt für eure Beziehung du bist bedeutungslos, er braucht dich nicht, oder kann dich nicht gebrauchen. Du spielst keine tragende Rolle und sorgst auch nicht für nötige Sicherheit. Du gibst Verantwortung ab. An deinen Hund. Glückwunsch, denn, wie nützlich ist das für eure Beziehung? Die alltäglichen Situationen? Wenn du Verantwortung abgibst? Nicht da bist. Dein Hund schöne Erlebnisse nicht mit dir teilt und du ihm in schwierigen Situationen die alleinige Verantwortung überlässt und ihm nicht hilfts und der Gefahr überlässt. Ist Freilauf und Leine los wirklich sooo toll für Hunde? Macht es ihn als soziales Tier wirklich glücklich? Stärkt das die Beziehung, sein Vertrauen? Hört er dadurch besser? Geht er dadurch besser an der Leine? Oder ist es einfach nur schlecht für die Beziehung da dort nichts Gemeinsames ist?
Lässt man seinen Hund im Freilauf vielleicht sogar im Stich?
Ist es nicht viel besser gemeinsam mit seinem Hund Abenteuer zu erleben? Gemeinsam nach einer (Ersatz-)Beute zu jagen. Talente kontrolliert und sicher ausleben zu können. Stärkt nicht das das Vertrauen? Fühlt der Hund sich nicht eigentlich so viel besser? Sicher an der Leine, mit seinem Menschen. Ohne Belästigung von bellenden freilaufenden unkontrollierten Dobermännern. Und wenn dann mal einer kommt passt Frauchen auf und schlägt ihn in die Flucht.
Es geht nicht darum den Hund niemals von der Leine zu lassen, aber es geht darum Freilauf verantwortungsvoll zu gestalten und aufzubauen. Dies kann nur mit Leine geschehen, weil wir nun mal langsamer sind als Hunde, und sie uns die Kontrolle vereinfacht und ermöglicht. So sorgt man für Sicherheit und stellt eine vertrauensvolle Beziehung her. Denn die macht eine Erziehung, die für einen kontrollierten Freilauf nötig ist, erst möglich. Schon dein Welpe sollte lernen sich am Menschen zu orientieren und von ihm kontrolliert zu werden. Nämlich an der Leine.
So viele lassen den Welpen und den Junghund ständig freilaufen und freuen sich ihm diese vermeintliche Freiheit zu gönnen.
Nicht mit schlechter Absicht. Oft aber aus Unwissen und Bequemlichkeit. Er zieht ja auch so doof in die Leine, das ist lästig, und er soll sich ja auch mal austoben. Dabei lassen Sie ihn oft ins offene Messer laufen, ohne es zu merken. Bis dann in der Pubertät die ersten Probleme auftauchen, vom Halter erkannt, oder auch nicht. Er spielt doch so schön mit den anderen, wird aber zur Plage für alle. Wie er sich selbst damit fühlt, kann man nur erahnen. Ich bin aber überzeugt davon nicht gut.
Freilauf bedeutet nicht Freiheit, sondern Verantwortung.
Was spricht dagegen, dass er an der Leine gemeinsam mit seinem Menschen spannende Sachen macht und seinen Interessen gemeinsam mit seinem Menschen nachgeht? Unter kontrollierten Bedingungen? Nur so kann er lernen sich auch im Freilauf an ihm zu orientieren. Er lernt, dass der Mensch Verantwortung für ihn übernimmt und man gemeinsam Spaß hat. In einem sicheren Umfeld und ohne Gefahr für sich und andere. Ohne Übergriffe auf andere oder von anderen.
Du möchtest wissen, wie man Hundebegegnungen richtig deutet und in schwierigen Situationen reagiert? Dann schaue dir meinen Vortrag „Hündisch für Hundehalter“ an, oder lese mein E-Book „Böser Hund“.