Gefahr auf der Hundewiese – Will der wirklich nur spielen?
Sonntagvormittag. Die Sonne lacht. Ein wunderbarer Tag. Du bist mit deinem Hund Oskar im Hundeauslaufgebiet der Region unterwegs. Alles ist heute unterwegs, da das Wetter so schön ist. Herrlich! Ihr trefft total viele nette Menschen mit ihren netten Hunden. Es wird wild gespielt und durch die Gegend getollt. Es ist eine Freude den Hunden beim wilden und ausgelassenen Spiel zuzuschauen. Endlich ohne Leine. Endlich den Hund mal laufen lassen können. Auch die Hundeschule sagt, dass Hundebegegnungen wichtig für Oskars Sozialisierung sind. Als ihr nach Hause kommt sind alle zufrieden. Oskar sinkt todmüde und erschöpft in sein Körbchen und du bist zufrieden ihm dieses schöne Erlebnis ermöglicht zu haben.
Aber stopp! Sind Hundebegegnungen immer gut und immer wertvoll und eine ideale Freizeitbeschäftigung für deinen Hund?
Ist Oskar so müde, weil er so ausgelassen gespielt hat und zufrieden ist, oder ist Oskar vielleicht müde, weil ihn die Kontakte, die er hatte, so unter Stress gesetzt und erschöpft haben.
Dazu schauen wir uns am besten mal an zu welcher Gattung Tier der Hund zählt. Wie der Wolf, und übrigens auch wie der Mensch, ist der Hund ein in einem sozialen Verband lebender, territorial veranlagter Beutegreifer. Ein sozialer Verband dient der gemeinsamen Ressourcensicherung, der Unversehrtheit und Sicherheit im eigenen Territorium. Der soziale Verband beim Hund ist das Rudel. Zum Rudel zählen keine Fremden. Fremde stellen eine potenzielle Gefahr dar, denn sie könnten auch Interesse an den benötigten Ressourcen haben und sie dem Rudel streitig machen.
Auch wenn der Hund in unseren Breiten nicht mehr wild lebt, hat er dennoch diese Veranlagung. Auch wir haben diese Veranlagung. Wir ziehen Zäune um unser Haus, schließen die Tür ab und mögen es nicht, wenn uns einer unsere Ressource Frau/Mann, Kinder, Essen, Auto oder Geld stiehlt. Die Familie ist unser Rückzugsort. Dort erleben wir Sicherheit. Fremde müssen wir erste einmal kennenlernen und abchecken, um Vertrauen zu fassen, um sie in unser Haus (Territorium) zu lassen. Sie stellen eine Gefahr und Unsicherheit dar.
Was bedeutet das nun für den Sonntagsspaziergang zur Hundewiese? Was bedeutet das für den Kontakt von Oskar zu fremden Artgenossen?
Du wirst es schon ahnen, dass es bei Hunden ähnlich ist wie bei uns Menschen. Das kann dann auf der Hundewiese wie folgt aussehen:
Um die unsichere, unbekannte Situation in den Griff zu bekommen, versucht die eine Sorte Hund den Eindringling zu kontrollieren und läuft hin, der andere geht dem ganzen am besten direkt aus dem Weg und tut so als sei er nicht da. Der eine macht das in dem er unauffällig weiter geht und andere Hunde ignoriert und lieber schnuppert. Der nächste denkt sich ich zeige direkt mal was ich drauf habe, trabt in Imponierhaltung zu seinem Gegenüber und rempelt diesen mal an, was man schnell als Spiel fehlinterpretieren kann. Auch das häufig gesehene Jagdspiel was von vielen Hundebesitzern freudig mit einem Lachen begleitet wird, ist in den wenigsten Fällen wirklich zum Lachen, sondern dient dazu Eindringlinge zu verscheuchen und körperliche Stärke zu zeigen. Und auch der Hund der schwanzwedelnd, etwas distanzlos und plump auf andere Hunde zuläuft, der Klassiker „Der will nur spielen“, hat ein Bedürfnis nach Sicherheit. Drück sich aber ungeschickt in aufdringlichem, andere Hunde provozierendem Spielverhalten aus, obwohl er doch nur beschwichtigen möchte um die Situation zu entschärfen. Er erreicht damit aber oft das Gegenteil, da er einen Kampf heraufbeschwört oder einen anderen Hund fürs Leben traumatisiert.
Ich sehe selten Begegnungen unter fremden Hunden die wirklich entspannt sind.
Meistens sind sie territorial oder einseitig sexuell geprägt. Das kann sich im Laufe des „Gesprächs“ ändern, aber auch unter Hunden, die sich kennen kann es immer noch sehr angespannt zugehen.
Der Besuch im Hundeauslaufgebiet ist daher für viele Hunde ein Spießrutenlauf, und für „Der will nur spielen“ ein stressiges Kontrollritual.
Das heißt nicht, dass ich Hundebegegnungen grundsätzlich ablehne. Im Gegenteil, sie können für deinen „Oskar“ tatsächlich sehr bereichernd sein. Du solltest aber sehr bedacht auswählen. Idealerweise triffst du dich mit Hunden, bei denen du vermutest, dass eine Freundschaft daraus entstehen könnte. Das am besten zuerst einmal ohne andere Hunde und in einem neutralen Gebiet, also nicht im Garten oder gar Haus. Hingegen lehne ich es ab, seinen Hund einfach so zu anderen zu lassen. In erster Linie bist du sein Rudel und er braucht deinen Schutz, um sich sicher zu fühlen. Lasse generell keinen wahllosen Kontakt zu fremden Hunden zu. Wir hopsen auch nicht jedem in den Arm und wollen mit allen Menschen auf der Straße spielen, oder gar von Wildfremden bedrängt werden. Und wir mögen auch nicht alle Menschen, die uns täglich begegnen, sondern wir sind mitunter aus gutem Grund sehr wählerisch.
Sieh deinen Hund als das was er ist. Er ist ein in einem sozialen Verband lebender, territorial veranlagter Beutegreifer.
Hundekumpels sind toll, aber eine Freundschaft muss sich entwickeln. Alles andere ist erst einmal distanzlos und auch bedrohlich.
Auf der Hundewiese verspielst du dir oft die Chance eine tiefe Beziehung mit deinem Hund aufzubauen und du missbrauchst unter Umständen sogar Vertrauen, da du es bist der ihn immer wieder in unangenehme, prekäre Situationen bringt. Also agiere bedacht und meide die Auslaufgebiete lieber, da es dort mitunter sehr chaotisch zugeht.
Du möchtest deinen Hund noch besser kennenlernen? Wissen, was er dir mitteilen möchte, wie man Hundebegegnungen richtig deutet und in schwierigen Situationen reagiert? Dann schau dir meinen Vortrag Hündisch für Hundehalter an.